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Das große Vergessen

Published on Thursday, November 6, 2008 2:13:21 AM UTC in Skit

Dieses Post stammt aus meinem Blog "Gebruddel Deluxe" (2008-2010).

Vergessen. Nicht das erste Mal. Nicht mal das erste Mal in diesem Jahr. Noch nicht mal das erste Mal in diesem Monat. Das schlimmste: nicht mal eine gute Ausrede habe ich. Kein Weltuntergang, keine 168-Stunden-Arbeitswoche hinter mir, kein Amazonas-Urlaub, der mich kommunikationstechnisch vom Rest der Welt abgeschnitten hatte. Schlicht vergessen. Manche Menschen können gut Gitarre spielen, andere haben ein Talent fürs Kochen, ich hingegen bin unschlagbar beim Vergessen von Geburtstagen.

Ja, ich spreche von Geburtstagen, die neben den Hochzeitstagen die einzigen noch verbliebenen natürlichen Feinde des Mannes darstellen. Säbelzahntiger haben wir überlebt, die Große Flut, die Pest, die Mini-Playback-Show, und ich bin sicher, dass wir auch die Globale Erdhörnchenwärmung[sic] überleben werden, aber Jahrestage und Jubiläen werden den Männern eines Tages Kopf und Kragen kosten.

Einmal, ich wage es ja kaum mich damit zu brüsten, habe ich vergessen, meiner eigenen Schwester zum Geburtstag zu gratulieren, obwohl mir meine Mutter an eben jenem Tag noch eine Erinnerungs-SMS geschickt hatte. Die gleiche Mutter war es auch (Achtung, jetzt driftet es ins Skurrile ab), die mir morgens telefonisch zu meinem eigenen Geburtstag gratulierte, der mir bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst war. In den letzten Jahren habe ich sämtliche der Menschheit bekannten Techniken der Geburtstagserinnerung erlernt, praktiziert und todesverachtend scheitern lassen, vom einfachen Notizbuch über Handy-Alarme bis hin zu taoistischen Gehirnmassagepraktiken. Ich bin in der Lage, selbst Hochspannungs-Schocks innerhalb von Sekundenbruchteilen zu verdrängen und vollständig zu vergessen, sofern sie nur dem Zwecke dienen, mich an einen Geburtstag zu erinnern. Chefs, Eltern, Geschwister, Freunde, der Papst - niemand bleibt von meiner Gabe verschont. Nicht einmal ich, fürchte ich. Der ein oder andere reagiert nämlich etwas pikiert in dieser Situation. Wenn mir dann nach ein, maximal zwei Monaten auffällt, dass ich gar nichts mehr von Person XY höre, ist es natürlich längst zu spät.

Vermutlich handelt es sich um einen seltenen oder gar bislang unbekannten Gendefekt. Ich habe nämlich keineswegs Probleme mit dem Gedächtnis. Ich kann noch heute die Telefonnummer der Heizungsablesungsfirma auswändig, die ich mir mangels Zettel und Stift vor etwa drei Jahren eingeprägt, danach aber nur ein einziges Mal gewählt hatte. Von den elf Autos, die ich bisher besessen habe, kenne ich noch sämtliche Kennzeichen, inklusive umzugsbedingter Ummeldungen, zulässigen Gesamtgewichte und Fahrgestellnummern. Von Pi kann ich die ersten vierhundert Stellen im Schlaf aufsagen, und selbst so unwichtige Dinge wie Madonnas Schuhgröße brennen sich in mein Gehirn ein, dass ich froh wäre, ich könnte einen Teil davon wieder vergessen. Lediglich zum Thema Geburtstage klafft ein gähnendes, grauschwarzes Loch in meinem Gedächtnis. Ich habe schon jetzt wieder vergessen, welche Geburtstage ich eigentlich im Kopf hatte, als ich begann, diesen Artikel zu schreiben.

Es gibt nur eine Lösung, um mein Leben zu retten und mich vor dem endgültigen gesellschaftlichen Abstieg zu bewahren. Pünktlich zum Jahresbeginn 2009 werde ich etwa 1732 händisch beschriebene Glückwunschkarten zur Post bringen, für die Geburtstage eines jeden Freundes und Verwandten im Voraus für die nächsten 70 Jahre. Selbst aus dem Grab werde ich noch Glückwünsche übermitteln, sollte ich so lange gar nicht leben. In 70 Jahren wäre ich nämlich schon... ähh.... Mama??

Tags: Gebruddel Deluxe · Geburtstag · Gehirnmassage · Gendefekt