Von der Schokoladenseite Fasten, Tag 7: Alles hat ein Ende

Hmm, Himbeeren

Published on Monday, March 24, 2014 5:00:00 AM UTC in Tools

Spätestens seit er in deutschen Mainstream-Medien bis hin zur Computer Bild aufgetaucht ist, hat der Raspberry Pi auch hierzulande einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht. Die Großmütter von Hinz und Kunz versuchen sich inzwischen am Zusammenbasteln eines eigenen Internetradios auf Basis des Minicomputers. Höchste Zeit für mich, auch meinen Senf dazu zu geben.

Keine Angst, das wird nicht der hunderste Aufguss einer "Mediacenter für Dummies" Schritt-für-Schritt-Anleitung. Vielmehr weiß ich aus eigener, leidlicher Erfahrung, dass der Weg bis zum robusten Betrieb eines "Raspis" nicht nur Nerven kosten, sondern auch in Frustration enden kann, die nicht selten zur Aufgabe zwingt. Da sich immer mehr meiner Bekannten für das Thema zu interessieren scheinen, hier ein paar Tipps und meine eigenen Erkenntnisse.

Planung ist (nicht) alles

Ich wollte seinerzeit den Raspi für zwei Dinge: um meinen Spieltrieb zu befriedigen, aber auch um ein Rundum-sorglos-Mediacenter zu betreiben, um das ich mich nicht groß kümmern muss. Es sollte einfach immer und funktionierend zur Verfügung stehen. Die Bauart des Raspis macht es sehr einfach, ihn für mehrere Zwecke zu verwenden: durch einfachen Tausch der SD-Karte kann man flugs zwischen unterschiedlichen Systemen wechseln und so bequem eine funktionierende Konfiguration mit dem zu verbastelnden Spiel-Linux auf einem einzigen Gerät verwenden. Alternativ kann man natürlich auch mehrere von den Himbeeren kaufen, denn teuer sind sie nun wirklich nicht. Der zweite Teil meiner Absichten (Stichwort "rundum sorglos") erwies sich dann allerdings als deutlich schwieriger als gedacht.

Wie meistens plante ich meine Schritte sehr genau und durchwühlte insbesondere die bereitgestellten Listen mit kompatibler Hardware, um auf möglichst wenige Inkompatibilitäten zu stoßen und Fehlinvestitionen zu vermeiden. Sämtliche meiner Komponenten sind explizit auf diesen Listen zu finden:

Kann eigentlich nichts mehr schiefgehen, oder?

Packung

Verpackung des fingernagelgroßen Wi-Fi-Adapters (rechts) im Vergleich zur Verpackung des Raspis :-)

Der harte Boden der Realität

Zunächst lief alles nach Plan. Nach dem Ausprobieren diverser verfügbaren Alternativen landete ich bei OpenELEC. Alle meine Tests waren ausgesprochen zufriedenstellend, und nach getaner Arbeit legte ich mich auf die Couch, um den Erfolg zu genießen.

Zwei Stunden später hing ich schweißgebadet, mit wutentbranntem Gesicht, überm Laptop und wühlte per SSH in der Netzwerkkonfiguration des unter OpenELEC liegenden Linux. Was war passiert? Nach etwa einer Stunde war plötzlich die Netzwerkverbindung weg, mitten beim Abspielen eines Videos, und nicht mehr zum Leben zu erwecken. Also den Raspi ans LAN angestöpselt und diagnostiziert. Kurioserweise funktionierte irgendwann während meiner angestrengten Analyse die WLAN-Verbindung plötzlich wieder, ohne dass ich es hätte begründen können. Kaum hatte ich mich wieder im Sessel zurückgelehnt, war das Problem zurück.

Nachdem ich meine ganz persönlichen drei Phasen des Zorns durchlaufen hatte, in denen ich nacheinander die römischen, griechischen und nordischen Götter zuerst um Hilfe anrufe und danach zum Teufel wünsche, gab ich frustriert auf.

Am nächsten Tag funktionierte zunächst alles wieder. Für etwa eine halbe Stunde. Nichts ist adrenalintreibender, als wenn man sein Krafttraining abbrechen muss, weil die nagelneue Hardware, in die man tagelange, sorgfältigste Recherchearbeit gesteckt hat, mittendrin den Geist aufgibt. Eine Stunde später hing ich zitternd mit dem Multimeter über der wieder freigelegten Platine und glotzte ungläubig auf die Anzeige. Das war der Moment, an dem ich...

Das Mantra

... erlernte: "Wenn es Probleme mit dem Raspi gibt, ist es die Stromversorgung." Jeder, der auch nur mit dem Gedanken spielt, sich einen Raspi zuzulegen, sollte immer (immer) als erste Ursache bei Problemen in Erwägung ziehen, dass es an der Stromversorgung liegt. Lerne dieses Mantra auswändig. Du kannst es auswändig? Gut, dann kommt hier der zweite Teil: "Wenn Du Probleme mit der Stromversorgung ausschließen kannst, dann liegt es an der Stromversorgung." Ich meine es ernst. Selbst wenn man mit dem Multimeter an die Sache rangeht und mit eigenen Augen sieht, dass alles in Ordnung ist, gibt es eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass Spikes, die man durch die Trägheit des Messgeräts nicht sehen kann, zu kurzzeitigen Spannungseinbrüchen führen und reichen, um etwa einen Netzwerkadapter zum Absturz zu bringen.

In meinem Fall war es glücklicherweise beim Messen offensichtlich, dass eine zu niedrige Spannung das Problem war. Obwohl ich alle Peripherie ausschließlich aus der offiziellen Liste gewählt hatte, obwohl hundert Bewertungen auf diversen Portalen behaupteten, alles funktioniere wunderbar mit dem Raspi, war entweder das Zusammenspiel dieser Komponenten das Problem, oder ich hatte eben eine Montagshimbeere oder ähnliches erwischt, die zufällig ein wenig anfälliger war als üblich. Oder der im Wi-Fi-Adapter verbaute NSA-Spionagechip zog mehr Strom als zulässig. Oder, oder, oder. Ich kann es nicht genau sagen. Auf meiner Suche konsultierte ich diverse technische Datenblätter, die für diese Komponenten zwar nicht auf den Herstellerseiten, aber an anderen Stellen zumindest teilweise zu finden sind. Auch dort sah alles völlig in Ordnung aus; der Adapter des Keyboards beispielsweise sollte etwa im Betrieb weniger als 80 mA benötigen, was sehr gut in der Spezifikation der USB-Ports (100 mA) lag. Nunja. Problem identifiziert, was nun?

Die Lösung

Wenn etwas zu viel Strom aus einen fix limitierten Anschluss zieht, dann muss man eben dafür sorgen, dass es diesen Strom woanders herbekommt. Ein USB-Hub mit eigener Stromversorgung musste her. Eigentlich wollte ich eine solche Lösung explizit umgehen, weil es natürlich den Charme des zigarettenschachtelgroßen Aufbaus zunichte macht und fortan zwei Kästchen hinterm Fernsehgerät verstauben. Aber wenn es nunmal nicht anders geht...

Das generelle Problem bei USB-Hubs im Zusammenhang mit dem Raspberry PI ist außerdem, dass man damit eine weitere Büchse der Pandora öffnet. Zunächst einmal gibt es natürlich bei den Hubs dasselbe Problem wie für die Anschlüsse des Raspis selbst: oft steht weniger Strom als spezifiziert zur Verfügung, insbesondere bei Geräten mit vielen Anschlüssen und vielen belegten Ports, und selbstverständlich können auch externe Geräte Probleme mit kurzzeitigen Spannungsabfällen u.ä. haben.

Viel gravierender ist allerdings das Problem, das im allgemeinen als "Back-Powering" (manchmal auch "Backfeeding") bekannt ist: der Hub versorgt in diesem Fall den angeschlossenen Raspi über den Uplink mit (zusätzlichem) Strom. Das ist zwar möglich, aber auch die Doku rät explizit davon ab, da man sich einigen Ärger damit ins Boot holt (holen kann). Das reicht von Problemen beim Runterfahren oder Booten über korrupte Dateien durch unkontrollierte Writes auf die SD-Karte bis hin zur Beschädigung und sogar Feuergefahr bei Spannungsspitzen. Als Außenstehender nimmt man das Backfeeding oft dadurch wahr, dass die Power-LED des Raspi auch dann leuchtet, wenn die eigentliche Stromversorgung abgeklemmt ist.

Da man einem Hub nicht ansieht und auch in der Beschreibung so gut wie nie steht, wie er sich in dieser Hinsicht verhält, gibt es auch zu den Hubs offizielle Empfehlungslisten bzw. sogar eine Aufzählung der bekannt problematischen Hubs. Ich habe mir von dieser Liste den Delock B/N61393 gekauft. Warum gerade den? Weil es den als einzigen von der Liste in der Elektro-Kruschtelkiste beim Tabakhändler um die Ecke zum Mitnehmen gab. Er funktioniert wie angepriesen tatsächlich ohne Back-Powering und hat nur ein winziges Problemchen:

Power_LED

Das ist die Power-LED des Hubs, frontal aus etwa fünfzig Metern Entfernung fotografiert. Ernsthaft, vermutlich ist der Betrieb des Hubs außerhalb geschlossener Räume verboten, weil die LED dazu geeignet ist, Piloten von drüberfliegenden Verkehrsflugzeugen vorübergehend erblinden zu lassen. Es ist mir jedes Mal völlig schleierhaft, wie man in ein Consumer-Gerät derartige Scheinwerfer verbauen kann.

Also habe ich das Kästchen nun so gut wie möglich versteckt und abgeklebt, so dass beim abendlichen Beisammensitzen allenfalls der Eindruck entsteht, ich hätte meiner alten Flimmerkiste ein Selbstbau-Ambient Light für Arme verpasst.

Davon abgesehen funktioniert der Hub toll - der Raspi läuft inzwischen seit Monaten durch, ohne dass auch nur einmal ein Netzwerk- oder sonstiges Problem aufgetaucht wäre. Neueinsteigern kann ich also die Gesamtkombination der oben aufgeführten Komponenten aus meiner Sicht uneingeschränkt empfehlen. Und vielleicht helfen die Erlebnisse auch dem ein oder anderen Verzweifelten bei der künftigen Fehlersuche.

Viel Spaß!

Tags: Pilotenerblindung · Raspberry PI · Stromversorgung · USB