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Zurück aus Kretinesien

Published on Wednesday, October 8, 2008 11:05:00 PM UTC in Skit

Dieses Post stammt aus meinem Blog "Gebruddel Deluxe" (2008-2010).

Nachdem ich eben von einem mehrwöchigen Strandflezurlaub kulturellen Weiterbildungsaufenthalt auf Kreta zurückgekehrt bin, weiß ich endlich, warum man als Deutscher keineswegs längere Lebensabschnitte auf diesem im Mittelmehr schwimmenden Katastrophenfelsen verbringen sollte. Hier die Top 5 der Gründe, warum man sich gar nicht erst in ein Flugzeug Richtung Süden setzen sollte, zusammengetragen von einem Wiederholungstäter in Sachen Kreta, der es wissen muss. Von mir.

Platz 5: Volkssport Zersiedelung

Wo auch immer man auf dieser Insel einen Flecken mit Aussicht findet, und den findet man eigentlich überall, gibt es einen hässlichen Betonklotz, der sich gerade im Bau befindet. Seit wievielen Jahren schon und ob überhaupt noch daran gearbeitet wird, kann man freilich nicht erkennen. Tatsache aber ist, dass man kaum noch Weitwinkelaufnahmen der Landschaft machen kann, weil man immer irgendwo ein Gerippe eines gerade in der Entstehung befindlichen Hotels, Luxus-Ferienhauses oder Raketensilos im Bild hat. Wenn das so weitergeht, wird Kreta in etwa drei Jahren an Zypern angegliedert, der Insel der zehn Milliarden Real-Estate-Schilder.

Platz 4: Sorgfalt? Fehlanzeige!

Wer darüber nachdenkt, sich eines dieser Häuschen dort zu kaufen und auch nur einen Funken der berühmten angeblich typisch deutschen Genauigkeit in sich trägt, wird nach etwa vier Minuten Aufenthalt dem Wahnsinn verfallen. Schlagen Sie sich die Vorstellung zum Dekor Ihrer Badezimmerfliesen besser gleich aus dem Kopf. Das Endprodukt ist zu 90% von der Kreativität des Handwerkers abhängig. Badezimmerwände und Zierborden, bei denen mehr als zehn Prozent der Fliesen verkehrt herum oder gar nur um 90° gedreht angepappt wurden, sind die Regel. Wer verschlafen durch die Wohnung schlurft, kann sich an einer vorstehenden Fliese schonmal das Schienbein brechen - die Wasserwaage wird auf Kreta nämlich erst 2017 erfunden. In Deutschland werden Rechnungen gekürzt, wenn der Maler vergisst, nach dem Streichen das Kreppband zu entfernen. Auf Kreta kommt der Maler erst gar nicht. Da beansprucht der Austausch von drei fest installierten Leuchten schonmal drei einzelne, willkürlich ausgesuchte Tage (inkl. drei Anfahrten usw.), auf die Jahre 2007, 2008 und 2012 verteilt.

kreta-howwedoit.jpg

Ein Vorteil kretinesischer Handwerkskunst ist der Einfallsreichtum. Hier tummeln sich lauter Mini-MacGyvers, die sich in jeder Situation zu helfen wissen. Es gibt beispielsweise keine Verkabelung, die ein Elektriker nicht mittels Bindfaden und einer alten Zwiebel ausführen könnte. Glauben Sie aber nicht, er käme nochmal, um das Provisorium nochmal anzupacken - die lokalen Zwiebeln halten seeeehr lange.

Platz 3: Nervenkiller Straßenverkehr

Im griechischen gibt es keinen Begriff für "Auto fahren". Die verwendete Phrase bedeutet übersetzt "steuern tieffliegender Unterschallprojektile". Ich habe es nur einmal gewagt, in einer Baustellenzone, in der 20 (ja, 20 km/h) ausgeschildert waren, auf 70 km/h herunterzubremsen. Fast augenblicklich schossen eine ältere Dame und ein Olivenbauer hupend und mit den Armen rudernd, die Fäuste wedelnd, an mir vorbei. Fast schon bewundernswert in diesem Zusammenhang ist es, was ein Grieche aus einem 106er Peugeot an Leistung herauskitzelt. Den gesteigerten Benzinverbrauch durch die fraglos nötigen hohen Drehzahlen gleichen Einheimische gekonnt durch das Weglassen des Lichts bei Nacht wieder aus. Das Überholen von Verkehrshindernissen westeuropäischer Herkunft ist übrigens jederzeit möglich, uneinsichtige Kurven oder Gegenverkehr stellen dabei keinerlei Probleme dar. Notfalls weicht der Gegenüber schon auf den GrünBraunstreifen aus. Wer mal erlebt hat, wie auf einer einspurigen Straße trotz Gegenverkehrs ein Auto einen LKW überholt, der gerade ein Quad überholt, weiß genau, wovon ich spreche.

Für den Urlauber, der im Mietwagen unterwegs ist, stellt das alles eine ganz neue Herausforderung dar. Garniert wird dieses Erlebnis von der entweder nicht vorhandenen Beschilderung oder der beliebten Variante von falschen Wegweisern, die den verduzten Touri vier Stunden durch kleinste Bergdörfer schickt für einen Weg, der auf der Hauptstraße 30 Minuten gedauert hätte. Wer nun denkt, dass er besser auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen sollte, sei gewarnt. Die Fahrpläne sind reine Richtzeiten, und selbst außerhalb der Saison sind die meisten Buslinien derart überfüllt, dass man schonmal damit rechnen muss, dass ein bis vier Busse an der Haltestelle einfach nicht anhalten (Sonnenstuhl mitnehmen!).

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Vermutlich ein Urlauber, der aus Versehen an einer roten Ampel angehalten hatte...

An dieser Stelle übrigens auch mal ein Hoch auf die deutsche Straßenreinigung, an die man normalerweise ja nur wenig Gedanken verschwendet. Bewusst wird einem dies erst, wenn man die Vielzahl toter Katzen, Wiesel und Elefantenbabies auf Kretas Straßen wahrnimmt. Die unterschiedlichen Varianten von "frisch zubereitet" bis hin zu "in den letzten Jahren zu einem halben Millimeter Dicke plattgewalzt" lässt Grund zu der Annahme aufkommen, dass hier gar nichts entfernt wird. Vermutlich werden die Tierchen bei der nächsten Straßenausbesserung (so ca. im Jahre 2045) einfach überteert.

Platz 2: MÜLL!

Auf Kreta gibt es keinen Müll. Es gibt nur Gegenstände, deren Eigentumsrechte auf die Natur übertragen wurden. Davon allerdings verdammt viele. Und wem jetzt der böse Tourist vorm inneren Auge auf- und abhüpft, der seine Coladose in die Landschaft pfeffert, der war ganz offensichtlich noch nie dort. Waschmaschinen, Autowracks, Bauschutt, Matrazen und zerschlagenes Mobiliar - es ist ungeschriebenes Gesetz auf Kreta, dass man seinen Dreck dort fallen lässt, wo man gerade geht und steht. Wer noch ein wenig Anstand besitzt, wirft ihn auf den Haufen, den der Nachbar begonnen hat. Das beschert interessante Kombinationen fürs Auge. Selbst auf abgeschiedenen Bergstraßen kommt es vor, dass man nach einer Kurve einem Kühlschrankfriedhof gegenübersteht, der malerisch vor einem Bergpanorama aufgetürmt ist.

kreta-reifen.jpg

Mami guck mal! Da ist eine Getränkedose neben dem Reifen im Wasser!

Der stichhaltigste Grund allerdings, der jeden von Kreta fernhalten sollte, ist...

Platz 1: Der deutsche Pauschalurlauber

Wer hat nicht schonmal gemeckert über die Rabauken aus dem Ostblock, die dummen Weißbrote oder die hässlichen Engländer, die einem den ganzen Urlaub verderben? Auf Kreta hingegen sind es die deutschen Landsmänner, für die man sich am liebsten in Grund und Boden schämen möchte. Da gibt es den Ruhrpott-Proll, der gnadenlos eine Zigarette nach der anderen pafft, während er sich fragt, was "no smoking" auf dem Schild da drüben eigentlich heißt. Oder der gröhlende Bayer, der selbst im Urlaub nicht auf die Bundesliga verzichten möchte und im Vollrausch zur Unterhaltung der gesamten Taverne Fangesänge anstimmt, wenn Klinsis Mannen mal ein Unentschieden schaffen. Und natürlich Gerhard Sülzkopf aus dem Kölner Downtown-Ghetto, der gleich morgens immer seine Bildzeitung am Kiosk holt, in schwarzen Sandalen mit weißen Sportsocken, sich emsig am Hintern kratzend. Wie wäre es mit dem Ossi, der am Strand stehend auf die etwa vier Meter entfernte Halbinsel Akrotiri zeigt und fragt, wann immer Fähren "rüber zum Festland" gehen.

Am schlimmsten aber sind jene, die bei ihrer Entdeckung von der Nasa einen Namen erhalten haben und monatelang als bisher unbekannter Planet des Sonnensystems gehandelt wurden. Die sich auf etwas, das früher wohl mal die Servierplatte einer Hochzeitstorte gewesen sein muss, den Turm von Babel aus gebratenem Speck und Ei vom Buffet an den Frühstückstisch karren. Bereits am zweiten Tag, wie ich so dalag am Strand und gegen Gravitationswellen aus der benachbarten Sonnenliege ankämpfte, zogen unwillkürlich erfundene Schlagzeilen vor meinem geistigen Auge durchs Bild: "Sensation! Erster Deutscher mit 104% Körperfettanteil entdeckt", oder auch: "Bundeszollamt lässt Nilpferdschmugglerring auffliegen - die als deutsche Urlauber getarnten Tiere wurden am Gepäckband 4 des Hamburger Flughafens festgenommen..."

Tja. Was soll man zu so einem Urlaub sonst noch erzählen? Wenigstens hat es zwischendrin auch mal geregnet.

Tags: Gebruddel Deluxe · Kreta · Nilpferdschmuggel · Urlaub