Von Mäusen und Menschen (und Tasten)
Published on Thursday, August 21, 2008 7:12:00 PM UTC in Skit
Dieses Post stammt aus meinem Blog "Gebruddel Deluxe" (2008-2010).
Es gibt Menschen, die für alles, was sie am Computer tun, die Maus benutzen. Selbst eingefleischte Informatiker kann man manchmal dabei beobachten, wie sie beim Ausfüllen eines Formulars jedes Mal zum Nager rechts neben der Tastatur greifen, um per Klick zum nächsten Feld zu springen. Ich versuche dann schnell zur Zimmerdecke zu sehen, oder aus dem Fenster, und an was Schönes zu denken. Denn jedes Mal, wenn ich mitansehen muss, wie jemand per Rechtsklick und Kontextmenü einen Text kopiert, um ihn gleich darauf auf die gleiche Art und Weise woanders wieder einzufügen, stirbt ein kleiner Teil von mir.
Ja, ich gebe es zu. Ich bin Tastenjunkie. An der Tastatur als bevorzugtes Eingabeinstrument halte ich stärker fest als Angela Merkel an der Tradition, ihre Haare nur mit der Heckenschere schneiden zu lassen. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass es viele einfach nicht besser wissen. Die Menschheit hat größtenteils keine Ahnung davon, dass sich die meistgenutzten Funktionen am Computer per Tasten viel schneller ausführen lassen - und das sogar übergreifend in jedem Programm auf die gleiche Art und Weise. Ich wurde schon ab und an gefragt, ob mein Computer kaputt sei, weil sich da "eigenständig" Fenster öffnen, Menüs ausklappen und anderer Voodoo-Zauber passiert. Die Wahrheit ist schlicht, dass man mit Tasten einfach ALLES bewerkstelligen kann. Text auswählen, Anwendungen öffnen und schließen, Dateien löschen, Krebs heilen.
Außer natürlich, ein Programm wurde von einem gichtfingerkranken Schimpansen mit überentwickelter rechter Gehirnhälfte entwickelt, der es unfassbar kreativ und sowieso viel bequemer fand, die Funktion "Kopieren" auf Steuerung-Ziffernblock Minus-F6 zu legen. Solche Warzen am Hintern der Benutzerfreundlichkeit gibt es tatsächlich. Mit Schauern denke ich beispielsweise an eine bestimmte Java-Anwendung zurück, bei der man die wichtigesten Aktionen mit der rechten Maustaste startete. Oder der Programmierer eines File-Managers, der in einem Anfall von Nostalgie Gehirnzellenpilzbefall beschloss, volle Kompatibilität zum Norton Commander (in der Version aus dem Jahr 1844) herzustellen und seine Nutzer dazu zu zwingen, Dateien mit der "Einfügen"-Taste zu markieren. Ist es wirklich zu viel verlangt, dass ich das Speichern eines Dokumentes mit Steuerung-S auslösen möchte und nicht mit einem Druck auf F4?
Neben der Entwicklergruppe, die sich erfolgreich sämtlichen Quasi-Standards widersetzt, die sich im Laufe der letzten zehn bis fünfzehn Jahre (zumindest in der Windows-Welt) entwickelt haben, gibt es noch jene, die sich generell einen feuchten Kehricht um Tastenbedienung scheren. Zu erkennen ist das daran, dass beim Betätigen der Tab-Taste der Cursor wie ein Gibbonäffchen auf Crack durch die Anwendung springt statt der Reihe nach von Element zu Element. Oder dass mit der Tastatur einfach gar nichts geht. Ich habe mich mal etwa vierzehn Sekunden mit einem Programm beschäftigt, dessen Entwickler ganz offensichtlich sehr viel Mühe in eine selbst programmierte Menüleiste gesteckt hat, die sich aber erfolgreich gegen jegliche Bedienung per Alt- oder Cursortasten sträubte. Shortcuts per Steuerungstaste gab's gar keine. Bravo.
Seit kurzem hat sich in mein persönliches Schauerkabinett noch eine dritte Unart eingereiht, die ich bisher noch gar nicht kannte: das Übersetzen von Tastenkürzeln. Anscheinend gibt es tatsächlich bei Softwareherstellern die Meinung, dass es sinnvoll ist, beim Umschalten der Sprache oder in verschiedenen Sprachversionen einer Anwendung auch die Tastenkürzel zu ändern. Komplett. Bei meinem Wechsel von Office 2003 auf die Version 2007 wechselte ich auch von einer englischen auf die deutsche Ausgabe. Nach zwei Tagen war ich beinahe dem Wahnsinn verfallen, weil nichts mehr so funktionierte wie zuvor. Das lag aber nur teilweise an der völlig neuen Oberfläche von Office 2007 (für die der verantwortliche Schimpanse übrigens eine öffentliche Auspeitschung verdient hätte), sondern größtenteils daran, dass viele meiner liebsten Tastenkürzel nicht mehr funktionierten. Was ich zunächst auf die neue Version schob, lag in Wirklichkeit daran, dass ich als langjähriger Nutzer der englischen Variante zum ersten Mal eine deutsche Version vor mir hatte. Da liegt dann nämlich plötzlich die Funktion "kursiver Text" nicht mehr auf Steuerung-I (italic), sondern auf Steuerung-Shift-K (kursiv). Word soll eine Formatierung löschen, schaltet stattdessen aber auf chinesisch um. Ich möchte zur Seitenlayout-Ansicht, aber Word druckt die letzten 4000 geöffneten Dokumente als Serienbrief. Oder so ähnlich. Grrr... In anderen Anwendungen ist das durchaus nicht üblich, z.B. sind die Kürzel in Microsofts Visual Studio sprachenunabhängig.
Die Lösung für alle Probleme kommt natürlich mit Windows Vista: standardmäßige Unterstützung für Pen Tablets. Computerbedienung per Stift - den Text schreiben wir auf einen elektronischen Block, und Klicken geht damit eh nebenbei. Wer braucht da noch Maus und Tastatur? Achja, die gichtfingerkranken Schimpansen, die werden sich mit dem Stifthalten schwer tun.
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